Grau-grüner Teppich zum Empfang: Dia duit Éire

Ich weiß nicht, warum ich mir diese Frage überhaupt gestellt habe: Wie sollte mich Baile Átha Cliath auch anders begrüßen? Als wolle die irische Hauptstadt alle seine Klischees direkt mit dem ersten Eindruck, der ersten Begrüßung, den ersten zehn Sekunden bestätigen, bereiteten mir graue Wolken, grüne Wiesen und dicke Regentropfen an der Scheibe des Ryanair-Fliegers das lang erwartete Empfangskomitee. Dem westlichsten Land der Europäischen Union wird nachgesagt, es verfüge über vierzig verschiedene Töne von Grün – dass es beim Farbenkamerad Grau mindestens genauso viele verschiedene Möglichkeiten gibt. konnte ich nach den ersten Schritten auf dem Rollfeld des Dubliner Flughafen direkt bestätigen. Die zahlreichen Wolken hatten sich die Mühe gemacht, sich die verschiedensten Abstufungen der Farbe der Langeweile anzueignen – Willkommensdusche inklusive. Diese war nach dem „Sommer“ – dieses Jahr konnte man die Jahreszeit zwischen Frühling und Herbst in Deutschland auch wirklich mal beim Namen nennen – jedoch eine willkommene Abwechslung.

Nach vielen Stunden Planung, Tagen voller Anspannung und Wochen geprägt von Vorfreude war es schwierig, am Morgen des 1. August einen klaren Gedanken in meinem Kopf auszumachen. Fragen über Fragen tümmelten sich in meinem Kopf, kämpften um die Spitze des Gedankenberges: Hatte in an alles gedacht, war alles organisiert, habe ich zu wenig getan, eingepackt,  nachgedacht, was wird mich erwarten, wie werde ich die erste Reise auf eigene Faust wahrnehmen? Auf dem Weg zum Flughafen stellte sich bei mir nicht der Gedanke ein, dass ich Deutschland nun erst einmal verlasse, dass ich den nächsten Schritt gehe, dass ich zum letzten Mal für einige Monate deutschen Boden unter den Füßen habe – anders als gedacht, war ich ruhig, von Vorfreude und Nervosität gleichermaßen erfüllt, bereit mein Hab und Gut, mein Leben im militärgrünen 52-Liter-Rucksack auf die Schultern zu nehmen und endlich die langersehnten ersten Schritte auf der „Grünen Insel“ zu gehen.

Die Sonne schien und gab bereits am Morgen die Vorwarnung, welche Kraft sie sich für den Tag erneut zurückgehalten hatte, wie sehr sich das Thermometer nach ihr strecken würde. Das Flugzeug setzte sich in Bewegung, ich schaute als Finale der Sitzreihe aus dem Fenster der Airbus-Maschine und verabschiedete mich erst einmal von meinem Heimatland. „Good Goodbye“ von Linkin Park ging mir durch den Kopf, das Flugzeug durch die Wolkendecke, meine Anspannung seines Weges. In Gedanken versunken wendete ich meine Aufmerksamkeit wieder dem Fenster zu, als ich die Ostküste meiner neuen zwischenzeitlichen Wahlheimat entdeckte. Irland ersteckte sich mit seinen Weiden, Dörfern und Straßen vor mir, breitete den grau-grünen Teppich aus, warf mich durch die Sicherheitsschleuse des Flughafens direkt ins Getümmel – fürs Erste war das zu viel für mich. Kaffeepause.

Nach einer Orientierung, die ich im Cáfe am Dubliner Flughafen mithilfe meines treuen, hilfreichen und dennoch lästigen Begleiters „Handy“ (dazu jedoch später mehr), vornahm, ging es mit dem Bus in Richtung Stadtzentrum, wo ich mein gebuchtes Hostel erwartete. Ich sog alle Eindrücke der neuen Umgebung auf wie ein Schwamm, war neugierig und gleichzeitig vorsichtig. Dass es bei den Linienbussen nur eine vordere Tür gibt, sorgte nach wenigen Minuten Fahrt für Verwirrung meinerseits. Der Bus war voll, mein Gepäck in der Ablage verstaut. die Stationsnamen teils nicht zu entziffern, mein Geist in Alarmbereitschaft. Wie sollte ich es schaffen, College Green zu ermitteln, mir meine zwei Rucksäcke und die Tasche umzuwerfen und durch das Gedränge rechtzeitig zur vorderen Tür zu kämpfen? Startpunkt war immerhin die letzte Reihe.

Dass alles halb so wild war, bemerkte ich nach einigen Stationen. Doch spätestens als ich dann neben dem Trinity College ausstieg und mit Google Maps hantierte, um das Hostel zu finden, stieg mir die sommerliche Wärme, die sich passend mit dem Regen abgewechselt hatte, sowie die Last all meines Besitzes auf den Schultern zu Kopf. Ich muss wie ein richtiger Tourist ausgesehen haben, der mit Karte und Kompass, beladen wie bei einer Bergwanderung inmitten einer 500.000 Seelen-Stadt ratlos auf dem Gehweg versucht, die Himmelsrichtungen auszumachen. Zwei Abbiegungen und zahlreiche Straßenüberquerungen später leuchtete mir dann doch das Schild meines Hostels entgegen – froh, angekommen zu sein und auch ein wenig erschöpft, checkte ich ein, nahm dankend meine Zimmerkarte entgegen, jagte in den zweiten Stock, wobei nun die Bezeichnung als Bergsteiger angesichts des engen Treppenhaus definitiv eine Überlegung wert ist, öffnete die Tür zum Zimmer und ließ die erste Anspannung abfallen. Ich war in Dublin, bereit mein Abenteuer anzutreten – die Reise in die irische Hauptstadt war dabei erst der Anfang; die Generalprobe jedoch schon mal gelungen.

Dia duit, Eíre agus Baile Átha Cliath!

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert